Das Regiment

Infanterie-Regiment Graf Werder (4. Rheinisches) Nr. 30

von Dr. Achim Kloppert, Oberstlieutnant

Die Wurzeln des Regiments reichen zurück bis in eine wildbewegte Epoche deutscher und europäischer Geschichte: die Zeit Napoleons I. 1812 gab es auf dem europäischen Kontinent nur noch eine Macht, die Napoleon nicht bezwungen hatte: Russland. Zur Niederringung Russlands stellte Napoleon die größte Armee auf, die die Welt bis dahin gesehen hatte. Mit über 600.000 Mann begann er im Juni 1812 den Russlandfeldzug, der für ihn der Anfang vom Ende werden sollte.


Anfänge des Regiments als Russisch-Deutsche Legion
Aus deutschen, insbesondere preußischen Angehörigen der „Großen Armee“ Napoleons, aus Gefangenen und Überläufern, die lieber mit den Russen gegen den wahren Feind Preußens und Deutschlands kämpfen wollten, wurde auf Anregung des Freiherrn vom Stein eine Russisch-Deutsche Legion errichtet. Aus dieser Legion ist das Infanterieregiment 30 entstanden. Die Legion wurde 1812 in Reval errichtet. Ihre Stärke: Zunächst nur ein Bataillon, eine Jägerkompanie, ein Husarenregiment und eine reitende Batterie. Unter der Führung des Generalmajors v. Arentsschildt machte die Legion den Feldzug von 1813 im Korps Wallmoden mit und wuchs dabei allmählich auf. Mitte 1813 wurde die Legion für die Dauer des Krieges auf englische Rechnung übernommen. 1814 fand sie in den Niederlanden Verwendung. Im selben Jahr schied sie aus russischen Diensten aus und trat als „Deutsche Legion“ unter preußischen Oberbefehl. Stärke jetzt: zwei Infanterieregimenter, eine Jägerkompanie, zwei Husarenregimenter, zwei reitende Batterien und eine Fußbatterie, im Ganzen 5.697 Mann mit 2.197 Pferden. Mit Allerhöchster Kabinettsorder vom 29. März 1815 erfolgte ihre endgültige Übernahme in die preußische Armee, in der die beiden Infanterieregimenter der Legion die Infanterieregimenter 30 und 31 formierten.


1815 bis 1851
Das nunmehr „Königlich Preußische 30. Infanterieregiment“ bestand aus zwei Musketierbataillonen und einem Füsilierbataillon.
Am 31. März 1815 wurde Major v. Ditfurth zum ersten Kommandeur des Regiments ernannt, das damals auf dem Marsch nach Diekirch war, wo Ditfurth Anfang Mai mit seinem Regiment zusammentreffen sollte. Noch vor diesem Zusammentreffen schrieb er an seine Frau: „Alles gratuliert mir zu dem Regiment, es soll sehr schön sein; ganz in englischen Montierungen gekleidet und 2.200 Mann stark“. Am 16. Mai bestätigte er die allgemein gute Verfassung des Regiments, fügte jedoch hinzu: „Es ist gewiss eines der schönsten Regimenter der Armee, aber sehr in Unordnung, deshalb habe ich alle Hände voll zu tun.“ Von der ehemaligen Deutschen Legion befanden sich nur noch 400 Mann beim Regiment, die übrigen Soldaten kamen von Ersatzbataillonen, es waren vor allem Pommern, Märker, Magdeburger und Halberstädter. Am 21. Mai schreibt v. Ditfurth sehr zufrieden: „Ich habe mehrere Kompanien, die ich auf der Stelle, so wie sie sind, zur Garde eintreten lassen könnte.”
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Regiment bereits im Gebiet des heutigen Belgien, da Napoleons Rückkehr von Elba einen neuerlichen Feldzug nötig machte. Das Regiment gehörte zur preußischen „Armee vom Niederrhein“, die Generalfeldmarschall v. Blücher befehligte. In der Schlacht bei Ligny, am 16. Juni 1815, konnte sich das Regiment gegen mehrere Kavallerieattacken und gleichzeitige Infanterieangriffe im Karrée behaupten. Zwei Tage später, am 18. Juni, gehörte es zu den Kräften, die bei Wavre das Korps des Marschalls Grouchy banden und damit dessen Eingreifen in die Schlacht von Belle Alliance verhinderten, in der Napoleon dank Blücher endgültig geschlagen wurde. Nach dem Einmarsch in Paris Anfang Juli marschierte das Regiment bis nach Angers, das am 4. August besetzt wurde. Zu dieser Zeit war das Regiment der preußische Truppenteil, der am tiefsten in Frankreich stand. Im September kam der Befehl zum Rückmarsch, Anfang Oktober wurde in Paris vor König Friedrich Wilhelm III. von Preußen paradiert. Danach verlegte das Regiment nach Danzig, das neben Thorn und Graudenz bis 1817 seine Garnison bleiben sollte.


1817 wurde das Regiment nach Koblenz, Ehrenbreitstein und Jülich verlegt, 1820 nach Trier, wo es rund drei Jahrzehnte verblieb.


1843 änderte sich das Äußere der 30iger sehr stark. An die Stelle des  seit den Befreiungskriegen getragenen zylinderartigen Tschakos und des frackartigen Rockes traten nun die zunächst noch recht hohe Pickelhaube und der Waffenrock, die bis zum Ersten Weltkrieg für den preußischen Soldaten typisch bleiben sollten.


Die beschaulichen, vorrangig der Ausbildung gewidmeten Jahre gingen für das Regiment zu Ende, als Deutschland 1848/49 von der Revolution erschüttert wurde und Preußen sich entschloss, in der Pfalz und in Baden einzugreifen. Ende Mai 1849 wurde ein mobiles Korps unter General v. Hirschfeld an der Nahe zusammengezogen, dabei auch das I. und das Füsilierbataillon des IR 30. Ein weiteres Korps wurde im Raum Wetzlar formiert. Beide zusammen bildeten die „Operationsarmee am Rheine“, deren Oberbefehl der Prinz von Preußen übernahm, der spätere Kaiser und König Wilhelm I. Die 30er waren dabei, als Ludwigshafen beschossen wurde, sie nahmen teil an der Schlacht bei Waghäusel, an der Besetzung von Bruchsal und vielen kleineren Gefechten, wobei sich jedoch ihre Verluste in Grenzen hielten.
Nach Beendigung der Kämpfe blieb ein Armeekorps in Baden und im Fürstentum Hohenzollern stehen, das die schwäbischen Hohenzollern an die preußischen Hohenzollern abgetreten hatten. Die Truppen sollten das Land besetzt halten, bis endgültig wieder Ruhe eingekehrt war. Zu ihnen gehörte auch das 30. Infanterieregiment. 
Ende 1850 drohte das Regiment in einen Krieg der beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich verwickelt zu werden, die um die Vorherrschaft in Deutschland rangen. Anfang November 1850 erging der Mobilmachungsbefehl, der zum ersten Mal nach 35 Jahren die ganze preußische Armee auf „Kriegsfuß“ setzte. Kurz darauf wurde eine engere Versammlung des preußischen Heeres angeordnet. Das VIII. Armeekorps, zu dem die 30er gehörten, erhielt Koblenz als Sammelpunkt angewiesen. Dorthin sollten sich auch die Truppen des bisherigen Armeekorps in Baden zurückziehen, um dann wieder ihren ursprünglichen Korpsverbänden zugeführt zu werden. Alles ging schließlich noch glimpflich ab. Das Gefecht bei Bronzell am 8. November hatte allen Beteiligten vor Augen geführt, das ein Krieg bevorstand, den niemand wollte. In einem Olmützer Vertrag arrangierten sich Ende November 1850 Preußen und das von Russland unterstützte Österreich und der Krieg fand nicht statt. Am 30. Januar 1851 wurde für die Linientruppen die Demobilmachung angeordnet.


1851-1871
1851 wurde das 30. Infanterieregiment nach Köln und nach Koblenz verlegt, wo die Füsiliere schon seit 1849 garnisonierten. – Von 1830 bis 1834 hatte das Füsilierbataillon des Regiments in Luxemburg in Garnison gestanden; von 1839 bis 1840 waren die 30er Füsiliere erstmals in Saarlouis stationiert gewesen.
Die Füsiliere, die als leichte Infanterie besonders für das Schützengefecht ausgebildet wurden, erhielten als erste die Waffe, mit der im Verlauf der 1850iger Jahren die gesamte preußische Linieninfanterie ausgerüstet wurde und die in den Reichseinigungskriegen eine außerordentliche wichtige Rolle spielen sollte: das Zündnadelgewehr. Die preußische Infanterie war damit die weltweit erste Infanterie, die mit einem gezogenen Hinterladergewehr ausgerüstet wurde.
Schon 1859, als der Krieg zwischen Österreich und Frankreich-Sardinien in Oberitalien ausbrach, sah es so aus, als würde das Zündnadelgewehr in großem Stil zum Einsatz kommen. Der Krieg führte dazu, dass nach und nach der größte Teil der preußischen Armee mobilgemacht wurde, um Österreich unterstützen zu können. Bereits am 20. April 1859 wurde für drei Armeekorps Kriegsbereitschaft befohlen. Die Infanterie dieser drei Korps wurde auf Kriegsstärke gebracht, darunter auch das zum VIII. Armeekorps gehörende Regiment 30. Nachdem Ende April auch den übrigen preußischen Korps die Herstellung der Kriegsbereitschaft befohlen worden war, erging Mitte Juni der Mobilmachungsbefehl für sechs Armeekorps, unter ihnen auch das VIII. und damit auch das Infanterieregiment 30. Anfang Juli erging der Befehl, dass sich das VII. und VIII. Korps bei Köln, Koblenz und Trier zum Vormarsch zusammenziehen sollten. Wenige Tage später wurde der Marschbefehl jedoch widerrufen, nachdem die Nachricht eingetroffen war, dass Österreich und Frankreich einen Vorfrieden geschlossen hatten, der den Krieg faktisch beendete. Ende Juli wurde die Demobilmachung befohlen.
Wieder einmal war die Kriegsgefahr vorübergegangen.
1860 erfolgte die Verlegung des 30. Infanterieregiments nach Frankfurt.
Der Deutsch-Dänische Krieg des Jahres 1864 sah nur einen kleinen Teil des preußischen Heeres in Tätigkeit, wie so viele andere Regimenter war auch das 4. Rheinische Infanterie-Regiment Nr. 30, wie es seit Juli 1860 offiziell hieß, in diesem Kriege nur Zuschauer.
Im Juni 1866 zog das Regiment im Rahmen der Division Beyer aus dem Raum Wetzlar in den Deutschen Krieg, in dem Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland kämpften. Während die Masse des VIII. Armeekorps, zu dem das IR 30 gehörte, im Rahmen der sog. Elbarmee auf dem böhmischen Hauptkriegsschauplatz gegen die Österreicher focht, gehörte die Division Beyer zur Armee des Generals Vogel v. Falkenstein. Diese Armee kämpfte auf dem west- und süddeutschen Nebenkriegsschauplatz gegen die deutschen Verbündeten Österreichs.
Die 30iger waren dabei, als am 10. Juli 1866 bei Hammelburg an der Fränkischen Saale Teile der bayerischen Armee geschlagen wurden, als am 24. Juli  bei Werbach-Hochhausen an der Tauber die Badener besiegt wurden und am 25. und 26. Juli bei Helmstadt und Roßbrunn wiederum die Bayern. Schon am 28. Juli wurde ein preußisch-bayrischer Waffenstillstand geschlossen, der Anfang August auf den ganzen Kriegsschauplatz ausgedehnt wurde. Die Kämpfe auf diesem Nebenkriegsschauplatz waren bei weitem nicht mit der Härte und Verbissenheit geführt worden, wie in Böhmen, wo mit der österreichischen Niederlage in der Schlacht bei Königgrätz bereits am 3. Juli die Kriegsentscheidung gefallen war.
Noch 1866 wurde das IR 30, das im Deutschen Krieg nur geringe Verluste erlitten hatte, nach Kassel verlegt, d. h. in ein neupreußisches Territorium. Hier blieb es jedoch nur kurz, schon 1867 ging es auf die Burg Hohenzollern und in die Festung Mainz, wo es auch noch in Garnison lag, als im Juli 1870 der dritte und letzte der Reichseinigungskriege ausbrach, der Deutsch-Französische Krieg.
Seit Juli 1870 kommandierte das Regiment Oberstleutnant v. Nachtigall. Die Verhältnisse beim Regiment waren damals nicht einfach. Nur ein Teil der Soldaten war in Kasernen untergebracht, die meisten lagen in den Festungswerken. Unterkunftsräume waren knapp. Aus dem Ersatzbezirk des Regiments, von der Saar, von der Mosel und aus dem Raum Birkenfeld eilten bei der Mobilmachung die Reservisten herbei, außerdem zahlreiche Freiwillige, von denen jedoch viele wieder heimgeschickt werden mussten, da es für sie vorerst keine Verwendung gab.
Als Besatzungstruppe der Festung Mainz führte das Regiment zunächst vorrangig Armierungsarbeiten durch, d. h. es half, die Festung Mainz in Verteidigungszustand zu versetzen. Anfang August lag in Mainz das Großen Hauptquartier; in dieser Zeit besuchte König Wilhelm I. wiederholt das Offizierkasino des 30. Regiments.
Als nach den deutschen Siegen bei Weißenburg und Wörth die Gefahr einer französischen Invasion gebannt war, wurde das Regiment nach Straßburg in Marsch gesetzt. Bei der Einschließung und Belagerung der Festung Straßburg im August/September 1870 erwarb sich das Regiment unter der umsichtigen Führung Nachtigals bald den Ruf, eine Elitetruppe des Belagerungskorps zu sein, das von General v. Werder geführt wurde.
Nach dem Fall Straßburgs Ende September wurde unter der Führung Werders ein neues XIV. Armeekorps gebildet, dessen Hauptaufgabe es war, die rückwärtigen Verbindungen der vor Paris und Metz stehenden deutschen Armeen zu sichern. Zu diesem Korps gehörte auch das IR 30. Von Oktober 1870 bis Januar 1871 nahmen das Regiment oder Teile davon an zahlreichen Gefechten teil. Sie alle aufzuführen oder gar im Detail darzustellen, würde zu weit führen. Stellvertretend sei hier deshalb nur verwiesen auf
das Gefecht am Ognon, am 22. Oktober 1870, nach dem General v. Werder Oberstleutnant v. Nachtigall persönlich aufsuchte, um ihm seinen Dank für die Tapferkeit des Regiments auszusprechen, und auf
die Schlacht an der Lisiane im Januar 1871, in der das Werdersche Korps und mit ihm die 30iger den Versuch einer französischen Armee abwehrten, die belagerte Festung Belfort zu entsetzen. In der dreitägigen Schlacht, die bei Eis und Schnee und scharfem Frost, d. h. unter schwierigsten Witterungsbedingungen stattfand, hatte Werder einen fast vierfach überlegenen Feind vor sich und die noch unbezwungene Festung Belfort hinter sich. Dennoch gelang es ihm und seinen tapferen Soldaten, alle Angriffe und vor allem den Umgehungsversuch des Gegners abzuwehren, der einen vierten Angriffstag nicht mehr wagte und sich auf Besançon zurückzog. Für die 30iger schloss sich an die Schlacht noch die äußerst anstrengende Verfolgung des weichenden Feindes durch den Hohen Jura bis an die Schweizer Grenze an. Nachtigall schrieb damals über sein Regiment: „Trauriger Zustand! Hosen von Bauern, Franktireurs und Mobilgarden, (nur keine roten Hosen), zerrissene Stiefel, Leute, welche gefahren werden müssen, weil sie kein Schuhzeug mehr haben, die Mäntel zerrissen, verbrannt am Biwakfeuer, nichts geputzt, dabei aber doch Frisch und bei der Hand.” Und weiter heißt es: „Die Ausdauer unserer Leute ist wahrhaft rührend! Nach viermeiligem Marsch (= 30 km) ließ ich in Poligny das II. Bataillon bei mir nach der Musik vorbeimarschieren und trotz zerrissener Hosen und Stiefel marschierte das Bataillon so stolz und schön, dass alle Welt entzückt war. – Ja, gegen unsere Truppen können die Franzosen nichts machen, ihre jetzige Armee fliegt wie Spreu davor auseinander. Unsere Offiziere sind wahrhaft glänzende Muster auch im Ertragen von Beschwerden. Ich habe sie mit Gewalt fortschicken müssen, wenn sie mit erfrorenen Gliedmaßen sich weiter schleppten oder mit kaum geheilten Wunden wieder zum Regiment kamen.“
Aus wahrhaft hartem Holze waren also diese 30iger geschnitzt, die ihren Teil dazu beitrugen, dass der Deutsch-Französische Krieg siegreich beendet werden konnte, dessen Ergebnis die Einigung Deutschlands im Deutschen Reich war.


1871 bis 1914
Am 28. März 1871, also noch bevor der Krieg durch den Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871 offiziell zu Ende ging, traf das Regiment in seiner neuen Garnison ein, dem lothringischen Diedenhofen. Das Regiment blieb zunächst noch auf „Kriegsfuß“, erst im Juni wurde es demobilisiert. Da es unmöglich war, das ganze Regiment in Diedenhofen unterzubringen, wurde das Füsilier-Bataillon noch im Herbst 1871 nach Trier verlegt.
Am 16. Juni 1871, an dem Tag, als der Einmarsch des siegreichen preußischen Heeres und seiner Verbündeten in die Reichshauptstadt Berlin erfolgte, ernannte Kaiser Wilhelm I. den General der Infanterie v. Werder, unter dessen Führung die 30iger im Deutsch-Französischen Krieg so erfolgreich gefochten hatten, zum Chef des Regiments.
Die vier Jahrzehnte, die auf die Reichseinigung folgten, waren für die Truppe im Großen und Ganzen ruhige Jahre, in denen sie sich ganz auf die Ausbildung konzentrieren konnte.
1876 verlegte das Regiment nach Saarlouis. Am 3. April  rückte es mit klingendem Spiel in die Stadt ein und bezog Unterkunft in der Kaserne VI, die heute noch existiert und die Polizei und das Stadtmuseum beherbergt. Die „30er“ wurden mit dem täglichen Wachwechsel an den Toren, mit Paraden und Platzkonzerten ein fester Bestandteil des täglichen Lebens in Saarlouis. Auch wirtschaftlich gesehen war das Regiment ein Gewinn für die Stadt: Handwerker bekamen Aufträge und Gaststuben und Wirtshäuser erfreuten sich eines gesteigerten Andrangs - zumindest bis zum Zapfenstreich.
Wiederholt mussten 30er von Saarlouis und „ihrem“ Regiment Abschied nehmen, wenn im Zuge von Heeresvermehrungen Kompanien zur Aufstellung neuer Regimenter abgegeben wurden. Die abgegebenen Kompanien wurden im Regiment wieder aufgestellt.
1889 wurde das Füsilier-Bataillon des Regiments in ein normales III. Bataillon umgewandelt.
Nachdem General v. Werder, der ehemalige Chef des Regiments, verstorben war, erhielt es 1889 den Namen „Graf Werder“, so dass es nun offiziell die Bezeichnung „Infanterie-Regiment Graf Werder (4. Rheinisches) Nr. 30“ führte.
Im Oktober 1893 wurden im Zuge einer Heeresvermehrung bei allen Infanterieregimentern IV. Bataillone aufgestellt, die nicht aus vier, sondern nur aus zwei Kompanien bestanden. 1897 wurden aus diesen IV. (Halb-) Bataillonen neue Infanterieregimenter gebildet. Das IV. Bataillon des IR 30 trat zum neuen Infanterie-Regiment Nr. 161.
Ab 1899 wurde die Truppe mit einem neuen Gewehr ausgerüstet, dem Gewehr 98, das sich so hervorragend bewährte, dass es als 98k noch im Zweiten Weltkrieg die Standardwaffe des deutschen Soldaten war.
Doch damit nicht genug der waffentechnischen Neuerungen: Ab 1906 erfolgte die Ausstattung der Infanterie mit Maschinengewehren. Das zunächst unterschätzte Maschinengewehr verstärkte die Feuerkraft der Infanterie ganz enorm und entwickelte sich im Ersten Weltkrieg zum Hauptträger des infanteristischen Feuerkampfes. Bis 1914 erhielt jedes Infanterieregiment, natürlich auch das Infanterieregiment 30, eine Maschinengewehrkompanie mit sechs MG 08.
Und noch an eine weitere Neuerung sei hier erinnert. Ab 1908 erhielten die Fußtruppen sogar eine Kanone: die „Gulaschkanone“. Mit der Einführung der Feldküchen entfiel das zeitraubende Abkochen und die Marschfähigkeit im größeren Verbande stieg.
1910 schied das Infanterieregiment 30 aus dem VIII. Armeekorps aus, dem es jahrzehntelang angehört hatte, und trat zum XVI. Armee-Korps über. Hier gehörte es zur 86. Infanterie-Brigade der 34. Division.


Erster Weltkrieg 1914 -1918
Am 28. Juni 1914 fielen in Sarajewo die tödlichen Schüsse auf den österreichischen Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin. Diese Schüsse lösten die sog. „Julikrise“ aus, die wiederum einmündete in die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, den Ersten Weltkrieg.
Am 1. August 1914 wurde in Deutschland die Mobilmachung befohlen, am 7. August hatte das IR 30 eine Stärke von 76 Offizieren, sechs Ärzten, drei Zahlmeistern und 3.274 Unteroffizieren und Mannschaften.
Das IR 30 gehörte zur 5. Armee des deutschen Kronprinzen, deren Vormarsch im Westen am 18. August 1914 begann. Damit begann zugleich ein gewaltiges Ringen, das die 30iger auf zahlreiche Schlachtfelder der Westfront führte.
Die 30iger erlebten, wie das Feuer der Repetiergewehre, der Maschinengewehre und der Schnellfeuergeschütze die Bewegung erschlug, wie der Krieg erstarrte und aus dem Bewegungskrieg der Stellungskrieg wurde. Sie erlebten die Hölle der Materialschlachten, mit denen die Westgegner Deutschlands, die über eine gewaltige Überlegenheit an Menschen und Material verfügten, vergeblich versuchten, den Krieg wieder in Bewegung zu bringen. Sie kämpften in der Champagne und in den Argonnen, bei Verdun, wo das I. Bataillon fast vernichtet wurde, und in den Vogesen, in Lothringen und in Flandern. Sie erlebten den Vormarsch 1914 und den Rückzug 1918, der sie bis in die Antwerpen-Maas-Stellung führte, wo sie am 11.11.1918 die Nachricht vom Waffenstillstand erhielten.
Wenige Wochen zuvor hatte es das Regiment noch einmal besonders schwer getroffen: Am 5. Oktober 1918 wurden das I. und III. Bataillon bei Montbrèhain nahezu vernichtet. Aus den Resten der beiden Bataillone wurde noch eine Kompanie mit einer Gesamtstärke von 60 Mann gebildet. Das II. Bataillon wurde zu zwei Kompanien formiert.
Nach dem Waffenstillstand, der den Ersten Weltkrieg faktisch beendete, marschierte das Regiment nach Deutschland zurück, wo es ab dem 22. Dezember 1918 in Delitzsch demobilisiert und am 15. April 1919 aufgelöst wurde. Damit endete die Geschichte des „Infanterie-Regiments Graf Werder (4. Rheinisches) Nr. 30“.
Seine Tradition übernahm in der Reichswehr die 12. Kompanie des 12. Infanterie-Regiments.